Die Eröffnungsfeier am Vorabend der Veranstaltung endete dramatisch.
Gut gemeint war vom Veranstalter die Idee, die Flaggen der teilnehmenden Nationen durch Fallschirmspringer aufs Eröffnungsgelände (am Sportplatz) bringen zu lassen. Bereits bei den ersten Springern landeten einige abseits des geplanten Ziels in den Bäumen im schwer zugänglichen Gelände rundherum. Ein starker Fallwind in Bodennähe (in Absprunghöhe war es nach Aussage eines Springers praktisch windstill) machte eine Punktlandung praktisch unmöglich. Prellungen und Schürfwunden (und fast erschlagene Sportler im Eröffnungsgelände) bei den ersten Springern waren für die Veranstalter kein Anlass, diese Aktion aus Sicherheitsgründen zu stoppen. Das Flugzeug stieg immer wieder auf (ca. 5 Springer pro Flugzeug) und die Unfälle gingen weiter. Auch die WMRA-Offiziellen sahen keinen Anlass zum Eingreifen. Ausgerechnet der vorletzte Springer mit der Schweizer Flagge blieb zuerst in einem Baumwipfel 50m neben dem Sportplatz hängen und stürzte dann im praktisch freien Fall ca. 15m auf das steile Gelände ab, wo er bewusstlos liegen blieb. Der Grad der Verletzung war vorerst natürlich unklar, die Schweizer Armeeangehörigen mussten erst mühsam durch das Dickicht zur Absturzstelle.
Viele Läufer hatten inzwischen das Gelände aus Sicherheitsgründen verlassen und erst dann begannen die Eröffnungsansprachen, die eigentlich niemand mehr hören wollte.
Der erste Offizielle fand das Ganze noch lustig und sprach von „different ways to arrive in Ovronnaz“,
der mehr als umstrittene WMRA-Präsident Danny Hughes bezeichnete in seiner Eröffnungsrede (wo eigentlich niemand mehr zuhörte) die Eröffnung als „exciting“.
Später kamen übrigens zum Abtransport der Notarzthubschrauber und mehrere Militärärzte und Sanitäter.
Der Fallschirmspringer wurde mit einem Knöchelbruch und unbestimmten Rückenverletzungen ins Spital geflogen.
Einen weiteren Höhepunkt setzte das ehrwürdige WMRA-Council bei der technischen Sitzung, die eher an eine Fortsetzung der muppets-show erinnerte.
Das council hatte bereits ein Jahr vor der World Trophy die durch die wirklich extremen Bergabpassagen technisch sehr anspruchsvolle Strecke genehmigt. ( Ich habe schon 1 Jahr vorher Wolfgang Münzel davor gewarnt H. Reitmeir)
Bei der Besichtigung durch die Athleten an den beiden Tagen vor dem Rennen kamen vor allem den schwächeren Nationen schon einige Zweifel über die Eignung mancher Bergabstücke. Eine halbe Stunde lang wurde diskutiert, ob die Athleten das letzte, schwere Steilstück der Runde in der Direttissima oder in Serpentinen laufen sollten. Als man sich zur Auffassung durchrang, jeder sollte laufen wie er kann, wurde die Frage aufgeworfen, wer denn dann beim Bergablaufen Vorrang hätte. Der langsame Serpentinen-Läufer oder der von hinten kommende direttissima-Läufer? Die meisten council-members konnten offensichtlich der Diskussion gar nicht mehr folgen, was auch daran lag, dass die für die englische Übersetzung Zuständige wahrscheinlich vieles kann, aber sicher nicht englisch. Auf jeden Fall beschloss man, die Strecke nicht mehr zu verändern. Zur „Entschärfung“ machte der Streckenchef den ernsthaft gemeinten Vorschlag, dass bei drohender Kollisionsgefahr ein Streckenposten pfeifen sollte, was bei bis zu 20 Läufern gleichzeitig in diesem Abschnitt natürlich sinnlos war. Der Vorschlag wurde trotzdem angenommen und dann beim Rennen aber nicht umgesetzt. Dazu muss noch angemerkt werden, dass es ca. 2 Wochen vor dem Rennen nicht mehr geregnet hatte und die Strecke ganz trocken war. Bei nassen Bedingungen hätte man auf dem erdig-steinigen Steilstück nicht einmal stehen können.
Danny Hughes und seine WMRA-Kollegen schauten sich dann sichtlich beeindruckt die zahlreichen Stürze v.a. bei den männlichen Junioren an und schritten zur Tat. Noch mitten im Juniorenrennen spazierte der Präsident persönlich mit einem Pack rostiger Metall-Rasenspieße unter dem Arm den Steilhang hinauf, wobei er die herab laufenden Teilnehmer fast aufspießte. Nur mit eindringlichen Hinweisen von Seiten der Zuschauer und Trainer konnte er davon abgehalten werden, dass er diese Rasenspieße mitten auf der Strecke platzierte, um dort mit Absperrbändern eine Serpentinen-Variante abzustecken. Wenn ein Läufer auf diese ca. 1,5m langen Rasenspieße im „kontrollierten freien Fall“ gestürzt wäre, hätte der Notarzthubschrauber wohl gleich wieder kommen können. So verwendete er Äste und Steine um noch vor dem Rennen der Frauen die Läufer durch Absperrbänder zum Bergab-Slalomlaufen zu zwingen. Die Damen und dann auch später die Männer wurden also auf eine Strecke geschickt, die sie in dieser Form vorher nie gesehen hatten. Eindringlich wurde mit Disqualifikationsandrohung darauf hingewiesen, dass durch den Korridor der Absperrbänder gelaufen werden müsste, was die Frauen auch brav befolgten.
Die Männer nahmen das nicht so ernst und der technisch hervorragende Männersieger de Gasperi und rund die Hälfte der Top 10 Männer machten sich einen Spaß daraus, bergab einfach direttissima über die Absperrbänder zu bringen. Wenn hier jemand mitgestoppt hätte, der 110m-Hürdenweltrekord wäre in Gefahr gewesen. Beim späteren Sieger hätte sich aufgrund seines Vorsprunges auch beim Zick-Zack-Laufen nichts geändert, zwischen Rang 5 und 10 gab es aber sehr wohl Rangverschiebungen, die sich auf den weitgehend flachen verbleibenden ca. 400m bis ins Ziel nicht mehr veränderten. Das deutsche council-menber Münzel schrieb eifrig die Startnummern der vorwiegend italienischen Läufer für einen Disqualifikationsantrag auf, hatte dann aber offensichtlich doch etwas Angst vor der „Mafia“ und schmiss den Zettel weg.
Wie im team manual vermerkt, hatten die council members auch im Vorfeld die Mannschaftsquartiere besichtigt und für gut befunden. (Das council selbst residierte im Luxushotel) Bergläufer sind ja Almhütten gewöhnt und sind flexibel, aber ganz in Ordnung ist es ja nicht, dass z.B. die Österreicher die Mehrbettzimmer gemischt (Männer und Frauen) belegen mussten, weil es sich anders gar nicht ausging.
Eine ebenfalls gemischte Großraum-Toilette war vor allem für die jüngeren Läuferinnen verständlicherweise unangenehm. Wir hatten es aber noch recht gut erwischt.
Das polnische Team wäre am liebsten aus Protest gleich wieder abgereist, wenn es sich dies leisten hätte können. Offensichtlich unter dem Motto: „Die haben daheim doch sicher auch nichts anderes“ steckte man das 16-köpfige Team in eine Hütte mit genau einer Toilette/Dusche in einem Raum.
Das in einem der reichsten Länder der Welt… |